Vertrieb von HIV-Medikament in Deutschland weiter erlaubt

Das HIV-Medikament Isentress darf vorerst weiter in Deutschland vertrieben werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer mündlichen Verhandlung am 11. Juli in Karlsruhe bestätigt (Az. X ZB 2/17).

Vorausgegangen war ein seit 2015 andauernder Patentrechtsstreit zwischen dem US-Pharmakonzern Merck & Co. (MSD) und Shionogi. Das japanische Unternehmen hatte 2002 ein Patent angemeldet, das auch Raltegravir, den Wirkstoff des HIV-Medikaments Isentress, beinhaltet. Das Europäische Patentamt hatte das Patent 2012 erteilt. Seit 2008 vertreibt das Unternehmen MSD – das selbst über ein Patent mit dem Wirkstoff verfügt – das Präparat in Deutschland. MSD hatte sich vergeblich darum bemüht, mit den Japanern eine Lizenz auszuhandeln.

Shionogi selbst bietet das Arzneimittel hierzulande nicht an. Das Unternehmen sah seine Patentrechte durch MSD verletzt und hatte 2015 beim Landgericht Düsseldorf auf Unterlassung geklagt. In einem Eilantrag hatte das Bundespatentgericht im Jahr 2016 MSD die vorläufige Benutzungserlaubnis – eine sogenannte Zwangslizenz – für das HIV-Medikament erteilt (Az. 3 LiQ 1/16). Der 3. Senat des Bundespatentgerichts begründete seine Entscheidung vor allem damit, dass es für bestimmte Personengruppen derzeit auf dem deutschen Markt keine adäquate Alternative gäbe. Hierzu zählen Säuglinge, Kinder unter zwölf Jahren, Schwangere, Personen, die wegen bestehender Infektionsgefahr eine prophylaktische Behandlung benötigen, und Patienten, die bereits mit Isentress behandelt werden und denen bei einer Umstellung auf ein anderes Medikament erhebliche Neben- und Wechselwirkungen drohen.

Der BGH hat nun die vorläufige Erteilung einer Zwangslizenz bestätigt und folgte dem Urteil des Bundespatentgerichts in zwei wesentlichen Punkten: Zum einen habe sich MSD im Vorfeld ausreichend um eine Lizenz bei Shionogi bemüht, zum anderen sei es im öffentlichen Interesse, dass Isentress weiter durch MSD in Deutschland vertrieben werden darf. Da Shionogi das Präparat selbst nicht auf dem Markt anbietet, müsse der US-Konzern es weiterhin hier verkaufen können, so die Richter.

„Eine Zwangslizenz ist ein seltenes juristisches Mittel“ sagt Dr. Romina Kühnle, Patentanwältin bei Cohausz & Florack. „Dieser Fall ist der erste in Deutschland, in dem der BGH eine vom Bundespatentgericht erteilte vorläufige Zwangslizenz bestätigt.“ „Denn grundsätzlich ist es die eigene Entscheidung des Patentinhabers, ob er eine Lizenz an seinem Patent vergibt oder nicht“ ergänzt Dr. Arwed Burrichter, Patentanwalt und Partner bei Cohausz & Florack.

Nur einmal zuvor in der Geschichte des Bundespatentgerichts erteilte dieses eine vorläufige Zwangslizenz für das Arzneimittel Polyferon zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, diese Entscheidung wurde seinerzeit aufgrund des fehlenden öffentlichen Interesses vom BGH nicht bestätigt (BGH – Polyferon, Az. X ZR 26/92).

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