In der Befragung zum europäischen Architektenbarometer wurden im ersten Quartal 2020 rund 900 Architekten in Europa zu ihrer Umsatz- und Auftragssituation befragt. Bereits in den Vorquartalen deutete sich in den meisten europäischen Märkten eine Verlangsamung der Architekturkonjunktur an. Aus aktuellem Anlass ist in die Architektenbefragung im ersten Quartal 2020 die Frage mit aufgenommen worden, ob die Ausbreitung des Coronavirus zusätzlich negative Effekte auf den Umsatz der Architekten haben wird. Die Befragung, die seit Mitte des ersten Quartals erhoben wurde, hat im Verlauf des Monats März eine ganz eigene Dynamik entwickelt.
Das in der Grafik dargestellte Gesamtergebnis sieht bereits dramatisch genug aus – negative Effekterwartungen von über 50 Prozent in fünf von acht Ländern – in den übrigen Ländern ein Viertel bis ein Drittel Negativerwartungen (in Deutschland von 28 Prozent). Doch die Einschätzung der Situation spitzt sich noch weiter zu, wenn man die Interviewergebnisse miteinander vergleicht, die vor und nach Freitag, dem 13. März, erhoben wurden. Also ab dem Wochenende, an dem das volle Ausmaß der Krise den meisten Europäern außerhalb Italiens erst richtig klar geworden sein dürfte.
Vor allem deutsche Architekten waren vor dem 13. März noch weitgehend unbesorgt
Für die Architekten, die in den Wochen zuvor befragt worden waren, war das Thema Corona mental noch weit weg: Den europäischen Bauboom und volle Auftragsbücher im Rücken, rechneten die meisten nicht mit ernsthaften Einbußen wegen Corona. In Deutschland konnte sich nur jeder zehnte Planer überhaupt vorstellen, dass Auswirkungen von Covid-19 den eigenen Betrieb betreffen könnten. In den meisten Nachbarländern (allen voran natürlich Italien) hatten die Architekten auch schon vor dem 13. März etwas größere Verluste durch die wirtschaftlichen Folgen von Corona befürchtet.
Danach griffen die Regierungen weltweit zu tiefgreifenden Maßnahmen, die seitdem fast überall verschärft oder verlängert worden sind. Spätestens seitdem ist den befragten Architekten klar, dass erhebliche Auswirkungen der Situation auf ihren Umsatz zu erwarten sind: Vor allem in Spanien und Italien – dort gehen seit dem 13. März vier von fünf Planern von negativen Effekten aus. In Deutschland rechnen die seit dem 13. März befragten Architekten zu 43 Prozent mit Einbußen durch Corona – hierzulande gibt es demnach im 8-Länder-Vergleich erstaunlich viele Optimisten.
Umsatzerwartungen der Architekten erheblich gedämpft
Auch die konkreten Erwartungen der europäischen Architekten, wie sich ihr Umsatz 2020 entwickeln wird, haben sich seit dem Stichtag 13. März bedeutend eingetrübt. Vorher hatten z. B. in Spanien und UK noch etwa ein Fünftel der Planer 2020 Umsatzverluste befürchtet, mittlerweile muss in beiden Ländern jeder zweite Architekt damit rechnen.
Deutsche Planer unterm Strich immer noch unter den zuversichtlicheren
Der Umsatzbarometerwert der deutschen Architekten hat seit Beginn der Barometermessungen Mitte 2009 von Quartal zu Quartal zugenommen. Auch vor dem 13. März konnten sich die meisten befragten Architekten hierzulande auf volle Auftragsbücher und eine hohes Hochbauniveau verlassen: Im Schnitt hatten die deutschen Architekten vor Mitte März sich bestenfalls um Umsatzrückgänge in einer Größenordnung von 6 Prozent Sorgen gemacht. „Seit Corona“ werden im Schnitt jedoch 29 Prozent Umsatzverluste von den Planern befürchtet.
Das ist der stärkste Einbruch in der deutschen Barometermessung seit über 10 Jahren – und gehört im Vergleich mit den meisten Nachbarländern bei aller Schärfe immer noch zu den moderateren Ergebnissen. Dass die deutschen Architekten trotz allem einigermaßen zuversichtlich bleiben, dürfte zum einen an den eilig verabschiedeten Sofortmaßnahmen und Konjunkturhilfen der Regierung liegen. Zum anderen trifft Corona die deutsche Baubranche in einer Boomsituation – Auftragspolster und Umsatzreserven aus dieser Zeit helfen den Architekten zumindest kurzfristig die Nerven zu bewahren.
Die große Stornierungswelle bei den Aufträgen bleibt vorerst aus
Auch weitere Daten aus der Befragung sind zunächst beruhigend: So gibt es auch nach dem 13. März nicht mehr verschobene oder ganz abgesagte Projekte bei den Architekten als in den Quartalsbefragungen zuvor. Allerdings sind mehr befragte Architekten als sonst von Projektaufschüben betroffen, was natürlich darauf hindeutet, dass es bereits jetzt zu erheblichen Ablaufverzögerungen kommt.
Im Grunde haben die Architekten den Vorteil als „Schreibtischtäter“ einen großen Teil ihrer bisherigen Arbeit auch unter Home Office-Bedingungen weiter abwickeln zu können. Das Neubaugeschäft muss ohnehin langfristig geplant werden, sodass Projekte für die Zeit „nach Corona“ auch aktuell auf den Schreibtischen der Architekten landen können. Doch natürlich würde ein langfristiger Nachfrageeinbruch infolge der Krise die deutsche Architekturbranche hart treffen – hier wird die nächste Konjunkturmessung im zweiten Quartal für mehr Klarheit sorgen.
Über die Studie
BauInfoConsult ist ein auf die Bau- und Installationsbranche spezialisiertes Marktforschungsinstitut. Die Studie Europäische Architektenbarometer der USP Marketing Consultancy-Gruppe, zu der auch BauInfoConsult gehört, erscheint viermal im Jahr. Für die Untersuchung werden jährlich ca. 5.400 Architekten aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden, Belgien und Polen befragt. Die aktuellen Marktdaten zur Einschätzung der Umsatzsituation sind Vorabergebnisse zur Ausgabe Q 1 2020, die in den nächsten Wochen erscheinen wird und die europäische Architektenkonjunktur in Zeiten von Corona mit aktuellen Marktdaten abbilden wird. Mehr Informationen erhalten Sie von Alexander Faust und Christian Packwitz unter 0211 301 559-10 oder per E-Mail an info@bauinfoconsult.de.
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