Etwa sieben Millionen Menschen mit Down-Syndrom gibt es auf der Welt. Der 21.03. ist jedes Jahr der Tag, an dem sie auf ihre Belange aufmerksam machen und gesellschaftlich wahrgenommen werden.
Informationen zu zahlreichen Aktivitäten des diesjährigen Welt-Down-Syndrom-Tages (WDST) finden Sie unter folgendem Link: https://teile-gutes21.de/
„Eigentlich möchten wir an diesem Tag alle einladen, ihr Bild von Menschen mit Down-Syndrom kritisch zu hinterfragen und Vorurteile über Bord zu werfen", so Vera Bläsing von der Down-Syndrom-Elterninitiative BM 3X21. "Doch dieses Jahr fühlt es sich an, als wäre der Abgrund wieder ein Stück näher gerückt."
Der diesjährige WDST fällt in Deutschland mitten in eine erbittert geführte Debatte um die bevorstehende Kassenzulassung des Nichtinvasiven Pränataltests (NIPT), einem vorgeburtlichen genetischen Bluttests auf Trisomien. Bereits Anfang Februar hatte sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis mit einem Offenen Brief an den Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Prof. Josef Hecken, gewandt. Das Bündnis firmiert mittlerweile unter dem Namen #NoNIPT – Bündnis gegen die Kassenfinanzierung des Bluttests auf Trisomien und erhebt die zentrale Forderung, den Beschluss zu verschieben, bis eine ernsthafte politische Debatte im Bundestag dazu stattgefunden hat. Mittlerweile haben rund 170 weitere Organisationen und Einzelpersonen den Brief mitgezeichnet.
Den Offenen Brief mit allen Erst- und Mitzeichner:innen finden Sie aktuell noch auf der Webseite des mittendrin e.V..
Das Bündnis #NoNIPT ist seit dieser Woche mit einer eigenen Webseite online, die sich im Aufbau befindet.
„Es ist ein fundamentales Missverständnis, dass es bei der Kassenfinanzierung des Bluttests auf Trisomien um die Selbstbestimmung der Frau oder soziale Gerechtigkeit geht. Die Herstellerfirmen haben die Tests aus ökonomischem Interesse in die Kassenfinanzierung gepusht – nicht eine soziale oder emanzipatorische Bewegung. Und was die Folgen eines kassenfinanzierten vorgeburtlichen Screenings auf Trisomien sind, können wir in Dänemark sehen: Die Geburtenrate von Kindern mit Down-Syndrom geht gegen Null. Wenn eine Maßnahme ein derart hohes selektives Potential hat, muss es eine gesellschaftspolitische Debatte darüber geben, ob das im zwölften Jahr nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention überhaupt zu verantworten ist.“, so Tina Sander, die im Bündnis den Verein mittendrin e.V. vertritt.
Die in Fachkreisen bekannte Tatsache, dass der Test keine diagnostische Sicherheit bietet, sondern hohe falsch-positiv Raten produziert, wurde zudem im gesamten Verfahren nicht ausreichend thematisiert. Sollte der NIPT in der jetzigen Form zur Kassenleitung werden, wird er viele Schwangere in schwierige Situationen bringen.
Anfang März zitierte die dpa dazu Dr. Nilgün Dutar, Vorsitzende des Berufsverbands niedergelassener Pränatalmediziner e.V. (BVNP): Im vergangenen Jahr habe sie allein drei Frauen behandelt, deren Testergebnis auf eine Trisomie 18 hingewiesen habe – fälschlicherweise. "Die Kinder hatten nichts. Das ist eine enorme Verunsicherung der Paare." Sie wisse auch von Fällen, in denen Frauen nach einem auffälligen NIPT die Schwangerschaft abgebrochen hätten – ohne sichere Diagnose.
Der BVNP initiierte den „Runden Tisch NIPT als Kassenleistung“, der sich aktuell in einem Schreiben an die Abgeordneten des Bundestags gewandt hat. In diesem Zusammenschluss sind medizinische Verbände, Hebammen-, Wohlfahrts- und Beratungsverbände, kirchliche Institutionen, Behinderten(selbsthilfe)verbände und weitere Unterstützer:innen vertreten.
Auch ihre Forderung lautet: Sich nochmals mit dem Thema zu befassen.
“In der Orientierungsdebatte des Deutschen Bundestags im April 2019 zum NIPT sprachen sich zahlreiche Abgeordnete gegen ein Screening auf das Down-Syndrom aus. Die geplante Formulierung in den Mutterschaftsrichtlinien macht den NIPT aber unabhängig von einer medizinischen Indikation pauschal als Kassenleistung zugänglich. In der Annahme, dass die Gesetzliche Krankenversicherung ausschließlich sinnvolle Untersuchungen bezahlt, werden die allermeisten Schwangeren den Test als Kassenleistung in Anspruch nehmen. Damit kommt der Beschluss faktisch der Reihenuntersuchung gleich, die weder der G-BA noch der Deutsche Bundestag wollten. Es liegt an ihnen, dies zu verhindern”, so Taleo Stüwe vom Gen-ethischen Netzwerk (GeN). Der Verein ist Teil des #NoNIPT Bündnisses und Mitzeichner der Gemeinsamen Erklärung des “Runden Tischs”.
Die Gemeinsame Erklärung des "Runden Tischs" finden Sie hier.
Der diesjährige WDST ist in Deutschland eine hochpolitische Veranstaltung. Nicht nur Menschen mit Down-Syndrom und ihre Familien sehen in der drohenden vorgeburtlichen Reihenuntersuchung einen politischen Wendepunkt.
Es stellt sich die Frage in was für einer Gesellschaft für zukünftig leben wollen!
Gen-ethisches Netzwerk e.V. (GeN)
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