Fachkräftemangel: Kommt die Trendwende auf dem Ausbildungsmarkt am Bau?

Die Arbeitslosigkeit in Bauberufen ist in Deutschland seit Monaten im Sinkflug. Allerdings gibt es auch ein weniger erfreuliches Phänomen zu konstatieren: Die Zahl der offenen Arbeitsstellen steigt mindestens ebenso deutlich an, wie die Arbeitslosenzahlen zurückgehen. Nach Berechnungen von SOKA Bau aufgrund von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bleiben offene Stellen im Hochbau inzwischen im Durchschnitt mehr als ein halbes Jahr unbesetzt und damit noch einmal zwei Wochen länger als vor der Corona-Pandemie. Ähnlich sieht es im Tiefbau und Ausbaugewerbe aus. Immerhin gibt es positive Zeichen vom Ausbildungsmarkt. Kann der Fachkräftemangel durch mehr Ausbildungsverträge effektiv aufgelöst werden?

Dass die Reserve an Stellensuchenden auf dem Arbeitsmarkt nicht ausreichen kann, um den dringenden Bedarf an Arbeits- und insbesondere Fachkräften abzudecken, ist also klar. Abgesehen von der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland bleibt daher nur der langfristige Ausweg mehr zukünftige Fachkräfte auszubilden – zumal rund ein Viertel der gewerblichen Arbeitnehmer am Bau älter als 55 Jahre ist. In den kommenden Jahren wird der Fachkräftebedarf entsprechend steigen. Doch wie ist die Lage auf dem Ausbildungsmarkt?

Nun war die Zahl der Ausbildungsverhältnisse, die im Coronajahr 2020 neu begonnen wurden, in der Baubranche zumindest teilweise hoch: Während die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse bei den Hochbauberufen gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig war (-1,9 Prozent), konnten sich die neuen Auszubildendenzahlen in den Sektoren Tiefbau (+5,8 Prozent) und Ausbau (+12.6 Prozent) erheblich steigern.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die vermeintlich als Arbeitgeber unattraktive und „unsexy“ Baubranche 2020 von seiner Rolle als konjunktureller Stabilitätsanker profitierte und mehr Schulabsolventen dazu animiert hat eine Ausbildung zu beginnen als in den Jahren zuvor. Dass die Bauberufe nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen der Coronakrise 2020 einen „Lauf“ hatten, legen auch die genaueren Analysen der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft SOKA Bau nahe.

Demnach gab es gerade im September und Oktober 2020 (also kurz, bevor ein weiterer Lockdown unausweichlich wurde) einen regelrechten Schlussspurt bei den Ausbildungsverträgen – ganz offensichtlich erschien die Baubranche vielen Berufsanfängern als sicherer Arbeitgeber als viele andere Branchen. In der Tat wurden insgesamt fast 5 Prozent mehr neue Ausbildungsplätze am Bau geschaffen als 2019.

Auch bei den Studierendenzahlen für akademische Baufachkräfte (Architekten und Bauingenieure) lässt die Erstsemesterzahl im Wintersemester einen (leichten) „positiven” Coronakrisen-Effekt erkennen: Immerhin 2,7 Prozent mehr frischgebackene Studierende schrieben sich für technische Bau-Studiengänge ein.

In den Wintersemestern zuvor waren in diesen Studien deutlich geringere Neuzugangsraten gang und gäbe (im Schnitt von 2015/16 bis 2019/20: +0,9 Prozent). Doch natürlich ist auch die Steigerungsrate 2020/21 noch zu bescheiden, um schon ein baldiges Ende des Ingenieurmangels auszurufen – zuvor müsste sich der Aufwärtstrend schon auch in den nächsten Jahren langfristig verfestigen.

Für die Gesamtwirtschaft war der Corona-Effekt im Jahr 2020 dagegen durchweg negativ: laut Statistischem Bundesamt sank die Zahl neuer Ausbildungsverhältnisse über alle Branchen hinweg um 9,3 Prozent. Wie die Arbeitsmarktstatistiker des Statistischen Bundesamts mitteilen, liegt die aktuelle Zahl von ca. 465.700 Neuverträgen im Jahr 2020 auf einem historischen Tiefstand: Seit Beginn der Statistik vor über 40 Jahren habe es in einem Jahr weniger als 500 000 neue Azubis gegeben.Die leicht gegenläufige Nachwuchsentwicklung am Bau wird in diesem Kontext wiederum relativiert. Doch immerhin bietet hier die Krise der Bauwirtschaft die Chance, eine Trendwende auf dem Ausbildungsmarkt einzuleiten und sich auch langfristig als attraktiver Arbeitgeber bei der Zielgruppe der Schulabgänger zu etablieren. Ob die Kampagnen der Handwerkskammern und Verbände dabei auf dem richtigen Weg sind, werden allerdings erst die neuen Ausbildungsbilanzen von 2021 und 2022 zeigen.

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