100.000-mal genauere Zeitbestimmung durch optische Atomuhren: Gewinne für Klimaforschung, Erdvermessung und autonomes Fahren

Atomuhren gelten derzeit als die genauesten Zeitmesser, mit denen digitale und analoge Uhren synchronisiert werden. Der Zeittakt ergibt sich dabei aus der Messung der atomaren Resonanz im Cäsium-Atom bei Mikrowellenstrahlung. Mithilfe einer neuen Generation optischer Uhren lässt sich der Standard von Zeit nun bis zu 100.000-mal genauer erfassen, da durch Messungen im Bereich des nahen Infrarot- und sichtbaren Lichts höhere Frequenzen aufgezeichnet werden können. So engagieren sich Fraunhofer-Forschende nun in einem Projekt, das mit miniaturisierten und robusten Lasersystemen für ultrakalte Atome die Kernkomponente entwickelt, durch die optische Uhren industrietauglich werden.

Seit Jahrhunderten umgeben uns unterschiedlichste Uhren als Zeitmesser. Dabei definieren Atomuhren durch das Zählen der Schwingungen von Elektronen in Cäsiumatomen – rund neun Milliarden Mal pro Sekunde – den aktuellen Standard: die „Koordinierte Weltzeit“ UTC. Jetzt bekommen sie von einer neuen Generation optischer Atomuhren Konkurrenz. Diese messen elektronische Schwingungen im sichtbaren optischen statt im Mikrowellenbereich und erreichen dadurch eine 100.000-fach höhere Genauigkeit. Die ultraexakten Chronoskope können den Bruchteil einer Sekunde bis zur 19. Nachkommastelle vermessen. Zum Vergleich: Das entspricht einer Zehntelsekunde im Verhältnis zum Gesamtalter des Universums.

Aktuell nehmen optische Messgeräte jedoch noch viel Raum ein, was eine Miniaturisierung erforderlich macht; eben dies hat man sich nun im BMBF-geförderten Projekt ISABELLA zum Ziel gesetzt. Das Konsortium fokussiert sich bei der Miniaturisierung auf die Laser, die das Herzstück optischer Uhren bilden und das Messen von Schwingungen in Atomen ermöglichen. Der Prozess gestaltet sich jedoch als komplex: Damit die Schwingungen überhaupt ausgezählt werden können, müssen die sich schnell und unkoordiniert bewegenden Atome zuerst gefangen und zum Bremsen ihrer Bewegungsgeschwindigkeit auf Temperaturen um den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden. Für diese Schritte werden Laser mit höchster Präzision benötigt, was in bisherigen Aufbauten zu einer enormen Baugröße des Gesamtsystems führte. An dieser Stelle setzen die Forschenden im Projekt ISABELLA an und entwickeln eine Technologie, mithilfe derer sich die unterschiedlichen Laser maßgeblich verkleinern lassen.

Vielfältige Anwendungen für Forschung und Gesellschaft
Optische Uhren präzisieren aber nicht nur unsere Zeitnorm, sondern helfen auch bei der Beantwortung von Fragestellungen der fundamentalen Physik: Durch die verbesserte Genauigkeit können etwa die Werte von Naturkonstanten überprüft werden. Solche Werte sind von enormer Bedeutung, um das Universum und die Welt im Laufe der Zeit auf einer Mikroskala zu beschreiben und die akademische Forschung voranzutreiben.

Einen zweiten Anwendungsfall bietet die angewandte Forschung, da moderne optische Uhren auch als Sensoren eingesetzt werden können, um Änderungen im Gravitationsfeld zu vermessen. Somit tragen sie zur Erstellung einer hochgenauen Gravitationskarte der Erde bei. Eine solche Karte erlaubt es Geolog*innen, die Bewegung tektonischer Platten exakt zu prognostizieren, Öl- oder Mineralfelder ausfindig zu machen oder die Regung von Magma in Vulkanen frühzeitig zu erkennen. Als hochgenaue Sensoren sind die Uhren insofern auch für die Klimaforschung relevant, als dass sie beispielsweise die Änderungen und Bewegungen des Meeresspiegels aufnehmen.

Eine dritte Anwendungsmöglichkeit der hochpräzisen Uhren ergibt sich beim Einsatz von satellitengestützten Navigationssystemen wie dem GPS. Aktuell sind Satelliten bereits mit miniaturisierten mikrowellenbasierten Atomuhren ausgestattet, von welchen die Positionsbestimmung des GPS abhängt. Durch die Integration einer optischen Atomuhr ließe sich die exakte Position mindestens um das Hundertfache präziser bestimmen, was sich für das autonome Fahren und dessen Sicherheit als hochbedeutend herausstellt.

Vom Laboraufbau zum kleinformatigen Quantengerät
Da die einzelnen Bauteile des Lasers nur im Zusammenspiel funktionieren, arbeiten die Projektpartner in ISABELLA inhaltlich eng zusammen: So entwickelt das Team der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gemeinsam mit der Firma VACOM Vakuum Komponenten & Messtechnik GmbH den robusten Resonator und baut diesen in einer miniaturisierten Vakuumkammer auf. Die sensor photonics GmbH stellt die für die Laser nötigen Halbleiterchips her; die Sacher Lasertechnik GmbH setzt die Lasersysteme aus Einzelkomponenten zusammen und koordiniert zudem das Forschungsprojekt.

Das Team rund um den studierten Atomphysiker Dr. rer. nat. Wojciech Lewoczko-Adamczyk vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM ist für die Fertigstellung photonischer Chips mitsamt der darin enthaltenen Wellenleiter verantwortlich. „Die Optik steht vor einem großen Durchbruch: Noch sind die Aufbauten groß und sensibel. Wenn die einzelnen Komponenten jedoch miniaturisiert und zuverlässig werden, können die Quantentechnologien mit ultrakalten Atomen in Form von transportablen und praxistauglichen Systemen realisiert werden. Unsere Aufgabe ist es dabei, die Chips mit photonischen Leitern zu entwickeln. Zu diesem Zweck passen wir die optischen Leitungen an die relevanten Wellenlängen von Atomuhren an und integrieren selektive Filter, die die Laser dazu bringen, mit einer bestimmten und sehr schmalen Wellenlänge zu leuchten“, erklärt Lewoczko-Adamczyk.

Zum Projektabschluss Ende 2024 werden die Partner hochintegrierte, kompakte und industriefertige Lasersysteme präsentieren, mit denen sich ultrakalte Atome manipulieren lassen. Zudem gilt es, die Skalierbarkeit für einen kostengünstigen Einsatz in optischen Uhren zu erforschen.

Über das Projekt ISABELLA
Das Projekt ISABELLA, kurz für Hybrid-Integrierte und frequenzstabilisierte Laser zur betriebssicheren Manipulation ultrakalter Atome für transportable Systeme, wird von den Projektbeteiligten im Zeitraum von 2022 bis 2024 realisiert. Das Projektkonsortium setzt sich aus Vertreter*innen von Industrie und Forschung zusammen: So beteiligen sich am Projekt die Sacher Lasertechnik GmbH in koordinierender Funktion, die sensor photonics GmbH, VACOM Vakuum Komponenten & Messtechnik GmbH, das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM sowie die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf mit der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät bzw. dem Institut für Experimentalphysik. Im Rahmen des Programms „Enabling Technologies für die Quantentechnologien“ erhält das beschriebene Vorhaben Unterstützung und Fördermittel vonseiten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Förderkennzeichen 13N16060).

(Text: Olga Putsykina)

Über Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Das Fraunhofer IZM ist weltweit führend bei der Entwicklung und Zuverlässigkeitsbewertung von Technologien für die Aufbau- und Verbindungstechnik von zukünftiger Elektronik. Hierdurch entstehen Eigenschaften, die bislang eher untypisch für Mikroelektronik sind: zum Beispiel wird sie dehn- oder waschbar, hochtemperaturbeständig oder extrem formangepasst. Die Forschenden des Fraunhofer IZM setzen dabei ebenso Maßstäbe für die Umweltverträglichkeit von Elektronik.

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