Gründung mit Weltraumtechnologie

Gießen gilt als Geburtsort des Radiofrequenz-Ionentriebwerks. Mit dem elektrischen Antrieb können Raumfahrzeuge im All manövriert werden. Eine ähnliche Technologie wird bereits irdisch genutzt: Der hochpräzise Strom von Ionen aus dem Triebwerk kann zur Bearbeitung von Materialien im Nanometerbereich eingesetzt werden. Dr. Andreas Reeh entwickelt Komponenten, die diesen Prozess weiter optimieren – ein Gewinn für Optik- und Halbleitertechnologie.

Ionentriebwerke gelten als Meilenstein in der Raumfahrt, seit sie Anfang der 1960er Jahren erstmals eingesetzt wurden. Statt große Mengen chemischen Brennstoffes in Umlaufbahnen oder auf interplanetare Reisen zu befördern, reichen dem Triebwerk elektronische Bauteile und etwas Gas, um einen Antriebsstrahl aus Ionen zu erzeugen: eine leichte, aber dauerhafte, beständige und zuverlässige Kraft. An der Weiterentwicklung der Technologie wird an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in der AG Raumfahrtelektronik geforscht.

Reeh widmete sich dort für seine Promotion der „Modellierung und Simulation von Radiofrequenz-Ionentriebwerken“. Er kann durchaus als Eigengewächs der THM bezeichnet werden: Reeh studierte Elektrotechnik bei StudiumPlus in Wetzlar, sammelte ein paar Jahre Berufserfahrung in der Industrie und wechselte dann auf eine Promotionsstelle in die AG. „Schon während der Promotion hatte ich die ersten Ideen für meine Ausgründung“, erzählt er.

Denn auch wenn in der hochpräzisen Oberflächenbearbeitung die nahezu baugleiche Technik zum Einsatz kommt, wie in einem Ionentriebwerk, gibt es laut Reeh Möglichkeiten, diese zu optimieren. „Es hat sich hier ein Konzept durchgesetzt, das aus meiner Sicht nie wirklich grundlegend überdacht wurde“, ist er überzeugt. Beim aktuell standardmäßig eingesetzten sogenannten Ionenstrahlsputtern geht es um die nanometer-genaue Behandlung einer Oberfläche. Die optische und die Halbleiterindustrie, Luft- und Raumfahrtunternehmen und zahlreiche Forschungsinstitute setzen dies bereits routinemäßig ein. Anwendungen findet die Technologie etwa bei der Herstellung von Spiegeln, optischen Filtern und Antireflektionsbeschichtungen, sowie bei der Oberflächenkorrektur von Wafern in der Halbleiterfertigung.

In diesen Anlagen wird im Inneren einer Ionenquelle mit einer elektrischen Hochfrequenz im MHz-Bereich ein Plasma erzeugt. Dabei übernimmt eine sogenannte Matchbox, eine elektro-mechanische Komponente, die Anpassung der sich verändernden Impedanz der Ionenquelle an einen Hochfrequenzgenerator. Das von Reeh verwendet Konzept ist, anders als die klassische Matchbox, rein elektronisch. „Es ist schneller und hat eine höhere Auflösung. Der Kunde kann seinen Strahlstrom viel präziser und vor allem exakt wiederholbar einstellen“, erklärt der Gründer. Der Effekt: Geringere Fehlerquote und genauere Materialbearbeitung bei schnellerer Bearbeitungszeit sowie zugleich niedrigerem Verschleiß und höherer Zuverlässigkeit. Zudem werden neue Prozesse und Anlagenkonzepte ermöglicht.

Reeh zieht Parallelen zum Wettbewerb zwischen Verbrenner- und Elektromotor: Eine technisch höchst ausgereifte, ständig weiterentwickelte und präzise einsetzbare Technologie erfährt Konkurrenz durch weniger anfällige und auf lange Sicht wohl auch günstigere Alternative.

Einen Ansatz, den auch die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) spannend findet. Sie unterstützte Reehs Unternehmen bereits mit einem „ESA Spark Funding“, das den Technologietransfer von der Raumfahrt in terrestrische Anwendungen fördert, sowie aktuell durch eine Inkubation bei „ESA BIC Hessen“. Das fördert sowohl die Entwicklung von Geräten für Industrieanwendungen als auch die Weiterentwicklung der kaufmännischen Aspekte des Unternehmens. „Derzeit analysiere ich den Markt potenzieller Kunden“, beschreibt Reeh seine Arbeitsschritte parallel zur Optimierung seines Produktes.

Die Herstellung eines fertig entwickelten Gerätes besteht zu großen Teilen aus Auftragsfertigung – den CAD-gefrästen Gehäuseteilen – und etwas Handarbeit. „Die Platinen lasse ich zwar auch fertigen, aber die Endmontage mache ich selbst“, erklärt er. Wenige Tage braucht er für ein Exemplar, inklusive interner Abnahmetests. Noch reicht seine Zeit dafür, wie für den parallelen Aufbau seines SRD Electronics getauften Unternehmens. „Aber das Zusammenschrauben traue ich auch jemand anderem zu“, sagt Dr. Andreas Reeh. Irgendwann wird er jemanden für die kaufmännischen Aspekte seines Unternehmens benötigen. „Denn ich will mich eigentlich auf das Entwickeln konzentrieren“, sagt der Ingenieur enthusiastisch.

Über Technische Hochschule Mittelhessen

Die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) ist eine der größten Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) in Deutschland und bietet über mehr als 80 Studiengänge an 12 Fachbereichen und das duale Studienangebot von „StudiumPlus“ an. Die Hauptstandorte Friedberg, Gießen und Wetzlar liegen verkehrsgünstig in der hessischen Rhein-Main-Region. Die derzeit mehr als 15.600 Studierenden der THM profitieren von bewährten Studienbedingungen und kleinen Lerngruppen sowie von der Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen. Unter den HAWen zeichnet sich die THM durch ihre anwendungsbezogene Forschungsstärke aus. Neben acht eigenen, interdisziplinären Kompetenzzentren besteht eine Zusammenarbeit mit den Universitäten in Gießen und Marburg, über die auch kooperative Promotionen in den Ingenieurwissenschaften möglich sind. Als erste HAW eröffnete die THM 2016 zudem ein eigenständiges Promotionszentrum und besitzt seither das Promotionsrecht für den Doktoringenieur.

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