Besorgniserregend vor allem: 63 Prozent der Befragten bewerten das hiesige Innovationsklima als unterdurchschnittlich. Und auch, wenn Deutschland für 86 Prozent zurzeit nach wie vor der wichtigste Markt ist, sehen ihn ein Viertel der Befragten bereits in fünf Jahren nur noch auf Platz 2. Ursachen sind zum einen Standortrisiken, wie bürokratische Hürden (91 Prozent), der Fachkräftemangel im eigenen Unternehmen (59 Prozent) und im Fachhandel/in den Handwerksbetrieben (47 Prozent). Zum anderen bereiten vor allem die großen Hemmnisse für innovative Qualitätsprodukte im deutschen Markt Sorgen: Sämtliche Befragungsteilnehmer sind von langanhaltenden enormen Kostensteigerungen durch Inflation, Energiekrise und Regulatorik betroffen. Erschwerend hinzu kommt die Last uneinheitlicher Mehrwertsteuer-Sätze mit wettbewerbsverzerrender Auswirkung (87 Prozent). Darüber hinaus erweist sich auch im Jahr Drei nach Einführung des eurocom-Branchenbarometers das Hilfsmittelverzeichnis für 68 Prozent der Befragten als Innovationsbremse.
Anhaltende Kostenexplosion gefährdet Versorgungssicherheit
Vor allem wirft die Mitgliederbefragung 2023 ein Licht auf die schwerwiegenden Folgen der nun schon zwei Jahre anhaltenden extremen Kostensteigerungen für die Hilfsmittelbranche: 100 Prozent der Befragungsteilnehmer sind davon betroffen. Ebenfalls 100 Prozent können Kostensteigerungen nach wie vor gar nicht oder nur teilweise an den Markt weitergeben. Hauptgrund dafür ist, dass Erstattungspreise in den Versorgungsverträgen langfristig festgelegt sind (73 Prozent). Für 100 Prozent der Unternehmen heißt das: Bereits jetzt ist die Hilfsmittelherstellung unwirtschaftlicher. Dieser Negativtrend, der sich im Vergleich zum Vorjahr (89 Prozent) stärker ausprägt, hat gravierende Folgen, sollte dieser Zustand noch länger anhalten: 73 Prozent der Befragten befürchten eine Einschränkung ihres Portfolios, 70 Prozent den Abbau von Arbeitsplätzen im eigenen Unternehmen. Rund ein Viertel sieht darin eine Existenzbedrohung, jedes fünfte Unternehmen befürchtet einen Versorgungsengpass. Die logische Konsequenz für 67 Prozent der Mitglieder: Eine Kostenabfederung ist dringend notwendig. Als geeignete Maßnahmen identifizieren 87 Prozent die Anpassung der Vertragspreise und 93 Prozent die Anpassung der Festbeträge, jeweils um die Inflationsrate.
„Eine verlässliche Patientenversorgung zu gewährleisten, stellt für die Branche eine Herausforderung dar, mit der sie nicht alleine gelassen werden darf. Damit langfristig verlässlich produziert und versorgt werden kann, dürfen Preissteigerungen nicht einseitig zu Lasten der Hersteller und Leistungserbringer gehen. Deshalb müssen zum einen Festbeträge als sinnvolles Instrument zur Ausgabenregulierung beibehalten und jährlich – wie auch die Vertragspreise – um die Inflationsrate angepasst werden, zum anderen müssen die unterschiedlichen Mehrwertsteuer-Sätze für Hilfsmittel einheitlich gesenkt werden“, fordert die eurocom-Geschäftsführerin.
Innovationen schneller zugänglich machen
Der ausgeprägte Innovationswille der Hilfsmittelindustrie zeigt sich auch in 2023. Sämtliche Teilnehmenden investieren in Digitalisierung, 97 Prozent in Forschung und Entwicklung – und zwar bis zu 10 Prozent des Unternehmensumsatzes, 81 Prozent in neuartige Hilfsmittel. Dies steht in starkem Kontrast zur Bremswirkung, die das unsichere Aufnahmeverfahren neuartiger Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) für eine Mehrheit der Unternehmen nach wie vor erzeugt: Darin sehen – wie schon in den Vorjahren – über 60 Prozent der Befragungsteilnehmer Risikopotenzial und bewerten dieses als größtes Innovationshemmnis. Aufnahmeanträge neuartiger Hilfsmittel wurden in den vergangenen zehn Jahren bei 57 Prozent der Befragten abgelehnt, bei 82 Prozent von ihnen betraf dies mindestens zwei Neuentwicklungen. Ablehnungen erstrecken sich bei 43 Prozent der Befragungsteilnehmer sogar auf bereits bekannte Hilfsmittel.
Oda Hagemeier erklärt: „Damit Patienten ungehinderten Zugriff auf innovative Hilfsmittel haben, muss deren Aufnahme beschleunigt werden. Denn das Hilfsmittelverzeichnis hat eine marktsteuernde Wirkung, auch wenn es sich nicht um eine Positivliste handelt. Nach wie vor brauchen wir ein standardisiertes Verfahren, insbesondere zur Anerkennung des medizinischen Nutzennachweises. Der Nachweis muss realistisch und planbar sein. Deshalb fordert die eurocom ein obligatorisches Beratungsgespräch, das die Vereinbarungen zwischen Antragsteller und GKV-Spitzenverband klar regelt – für eine innovationsoffene und zukunftsfeste Hilfsmittelversorgung in Deutschland.“
eurocom ist die Herstellervereinigung für Kompressionstherapie, orthopädische Hilfsmittel und digitale Gesundheitsanwendungen. Der Verband versteht sich als Gestalter und Dialogpartner auf dem Gesundheitsmarkt und setzt sich dafür ein, das Wissen um den medizinischen Nutzen, die Wirksamkeit und die Kosteneffizienz von Kompressionstherapie und orthopädischen Hilfsmitteln zu verbreiten. Zudem entwickelt eurocom Konzepte, wie sich die Hilfsmittelversorgung aktuell und in Zukunft sicherstellen lässt. Dem Verband gehören nahezu alle – aktuell 37 – im deutschen Markt operierenden europäischen Unternehmen aus den Bereichen Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel an.
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